2014-01-03

gedanken

Am sechsten Tag schuf Gott den Menschen; schuf ihn zu seinem Bilde.

Die Bibel vor mir liegend, zitiere ich jene Phrase. Beim Studieren dieses Wälzers begreife ich mehr als nur Genesis, den Ursprung: Schöpfung, Paradies, Sündenfall, Verbannung erinnern stark an unser eigenes Dasein. Geburt, Leben, Leid, Tod. Wir lernen die Lehre von uns, aber keine Anthropologie. Wir selbst sind unser Gott; Makrokosmos im Mikrokosmos, wahrgenommen als Mesokosmos. Selbst können wir Schöpfer sein, Entscheidungen treffen, die die Bahnen unseres Lebens lenken. Ein Leben, das noch nicht abgeschlossen ist, solange wir ihm nicht einen Sinn geben. Erkennen wir schlussendlich nach jahrelanger Suche, schweißtreibender Arbeit, bitteren Enttäuschungen und lichten Momenten der Freude, dass der Sinn unseres Lebens nicht gefunden werden kann, sondern allein durch unser Handeln und unsere Taten entsteht, ist es meist schon zu spät für einen umschweifenden Rückblick auf die gelebte Zeit. Des Menschen irdische Weile ist begrenzt und alles, was wir über das Jenseits wissen, ist, dass sich bisher niemand die Mühe machte, zurückzukehren, um zu berichten, wie toll es auf der anderen Seite sei.
Himmel und Erde, Tag und Nacht, Mensch und Tier - ständig gilt es den Zusammenhang der Zweisamkeit zu erkennen. Sind wir also gut oder böse? Wenn wir die Wahl zwischen beidem haben, bleibt uns aber durchaus die Möglichkeit, keine Wahl zu treffen. Unsereins muss nicht gut oder böse sein. Es kann gut und böse sein, oder nichts davon. Was treibt uns aber zu jenem selbstlosen Verhalten, das manch einem mehr als dem anderen verliehen wurde, und wieso wurde es gerade ihm verliehen? Wir lügen, wir betrügen, geben falsches Zeugnis ab, begehren unseres Nächsten Hab und Gut - brechen ein Gebot und jedes weitere, das wir kennen. Der biblische Gott ist uns als barmherziger Herr bekannt; vergibt uns unsere Schuld, denn auch er braucht uns wie ein Puppenspieler seine Marionetten. Ist Gott nicht mehr als ein unsicherer Jüngling, der uns gebieten muss, wir sollen keine anderen Götter neben ihm haben? Menschen sind fehlbar, irrational, haben Komplexe und befinden sich beinahe ihr ganzes Leben lang auf der falschen Bahn neben der richtigen, weil es ihnen einfach nicht gelingt, die Kurve zu kriegen. Dieses defizitäre Wesen wurde also nach Gottes Bild geschaffen - von Gott selbst, versteht sich. Je mehr Fragen ich stelle, desto unangenehmer scheinen die möglichen Antworten. Vielleicht ist es besser, keine Fragen zu stellen. Es scheint so, als läge das Stellen von Fragen aber in unserer Natur, denn erneut möchte ich meine letzte Erkenntnis mit einer Frage beantworten. Die Neugierde treibt uns zu vielen Dingen; mal können wir sie befriedigen und ein anderes Mal gelingt es uns nicht, den ewigen Hunger zu stillen. Hunger ist eine Warnung, ein Antrieb zum Überleben, eine Erinnerung an die Vergänglichkeit des Menschen. Doch was erwartet uns, wenn wir vergangen sind? Warum kämpfen wir um das Überleben, jeder einzelne stets auf seine eigene Art und Weise, wenn wir doch bloß aufhören zu existieren? Eva aß vom Baum der Erkenntnis und das Paradies verlor seine ursprüngliche Harmonie, somit erwies sich des Menschen Blindheit als Schutz vor der Wahrheit. Womöglich ist unser Überlebensdrang Blindheit und unser Tod, ohne Aussicht auf ein Nachleben, die bittere Wahrheit.
Was ist also die Wahrheit? Handelt es sich dabei um die Tatsache, dass wir ein verlogener Haufen Egoisten sind, dessen Primärziele Fortpflanzung und Weiterbestand sind? Gefühle sind Heuchelei, Zweisamkeit eine Lüge und Familie und Freunde sind Fremde. Jeder ist seine eigene Sonne, sein Zentrum der Aufmerksamkeit; alles auf Erden fügt sich zu einem großen kosmischen Witz zusammen, und wir sind die Hauptakteure. Du, Ich, Wir - Komödianten wie sie auf der Bühne stehen. Die Bühne, durch Menschenhand erschaffen, beschreibt weiter die paradoxe Komik unserer Spezies, die sich als einzige auf diesem Planeten in einen Schleier hüllt und jenen als "Seele" bezeichnet, dabei ist Seele doch nur Materie und diese zerfällt, früher oder später, aber mit großer Sicherheit, zu Staub.